TURNER, George Juni 2020




Porträt

Am 28.5. 1935 in Insterburg/Ostpreußen geboren, verbrachte Turner seine ersten neun Lebensjahre auf dem elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb in der unmittelbaren Nähe zur litauischen Grenze. Die Flucht führte die Familie in die Lüneburger Heide. In Uelzen legte er 1955 das Abitur ab. Das Studium der Rechtswissenschaft in Göttingen, München und Würzburg beendete er 1959 mit dem ersten juristischen Staatsexamen beim OLG Celle; 1963 folgte die zweite Staatsprüfung beim OLG Hamburg. Inzwischen hatte er an der Universität Göttingen als Assistent von Wilhelm Ebel mit einem Thema aus der Agrargeschichte promoviert. Die Assistententätigkeit an der TU Clausthal schloss er 1966 mit der Habilitation u. a. in dem Spezialgebiet Bergrecht ab. 1968 wurde er dort zum Wissenschaftlichen Rat und Professor ernannt; zugleich übernahm er einen Lehrauftrag an der TU Berlin.

Diese Beschäftigungen fanden ihren Abschluss in einem, zusammen mit Raimund Willecke verfassten „Grundriss des Bergrechts“, einem Lehrbuch, das über mehrere Jahrzehnte Orientierung für alle Studenten dieses Fachs war.

Im Jahr 1970, mit 35 Jahren, wurde er unter 41 Kandidaten zum ersten Präsidenten der Universität Hohenheim gewählt, die er (nach zweimaliger Wiederwahl) bis 1986 leitete. Auf sein Betreiben erfolgte dort 1971/72 die erste Organisations- und Wirtschaftlichkeitsprüfung an einer deutschen Universität.

Nachdem er bereits von 1972-74 Vorsitzender der Landesrektoren-Konferenz von Baden-Württemberg gewesen war, wurde er 1976 Vizepräsident der Westdeutschen Rektoren Konferenz. 1979 wurde er zum Präsidenten der WRK gewählt und 1981 für eine weitere Amtsperiode von zwei Jahren in diesem Amt bestätigt.

1986 übernahm der parteilose Turner in dem von CDU und FDP getragenen Berliner Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen die Zuständigkeit für Wissenschaft und Forschung. Sein Drängen auf höhere Effizienz und seine Kritik am Finanzgebaren und der Personalpolitik der Hochschulen führten zu zum Teil heftigen Auseinandersetzungen.

Nach dem Regierungswechsel in Berlin kehrte er auf den eigens für ihn - aus Anlass der Ablehnung eines Rufs bereits 1976 - eingerichteten Lehrstuhl (Wirtschafts- und Agrarrecht sowie Wissenschaftsverwaltung) nach Hohenheim zurück. Das Agrarrecht musste jemand übernehmen; die anderen Kollegen zeigten wenig Neigung. Da Turner immerhin in der Agrargeschichte promoviert hatte, war er am nächsten „dran“. Das Ergebnis ist ein inzwischen in dritter Auflage erschienene „Agrarrecht“ für Studierende dieses Fachs. Die Aufnahme des Gebiets „“Wissenschaftsverwaltung“ in seinen Aufgabenkatalog sollte gewährleisten, dass die langjährigen Erfahrungen Turners auf diesem Gebiet nicht „brach“ liegen blieben.

Unmittelbar nach der Öffnung der Mauer übernahm er zusätzlich eine Gastprofessur an der Humboldt-Universität zu Berlin (Agrar- und Genossenschaftsrecht). Mit dem Genossenschaftsrecht sollte vor allem dem Mittelstand ein Angebot für eine in Betracht kommende Unternehmensform geboten werden.

Daneben meldete er sich auch weiterhin zu hochschulpolitischen Fragen zu Wort. Davon zeugen allein 12 Bücher sowie über 120 Beiträge in Zeitschriften und über 800 Zeitungsartikel.

Zu den wichtigsten Fragen der Hochschulpolitik, die über vierzig Jahre kontrovers behandelt worden sind, hat Turner sehr frühzeitig Lösungen vorgeschlagen, die jetzt in seinem Sinne mehrheitsfähig zu werden scheinen. So forderte er bereits Anfang der siebziger Jahre "Mehr Wirtschaftlichkeit an den Universitäten" und ein "Management nach dem Muster von Unternehmen", lange bevor die „unternehmerische Universität“ zum Modewort wurde. Die entsprechend auf deutsche Verhältnisse angepasste Übernahme von Bachelor- und Master-Studiengängen schlug er seit Anfang der 70er Jahre vor. Für ein sachgerechtes Ranking entwickelte er 1986 in seinem Buch "Universitäten in der Konkurrenz", die Grundlagen. Die Anerkennung außerhalb der Hochschulen erbrachter Leistungen schlug er bereits 1991 unter dem Titel „Sandwich-System“ vor. Als erster regte er im Streit um die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit den Kompromiss von 12 ½ an (1985).

Eine umfangreiche Darstellung zur Geschichte der Hochschulreform ist sein Werk unter dem Titel "Hochschule zwischen Vorstellung und Wirklichkeit" (2001), in der er den Schlingerkurs vor allem der Politik in den einzelnen Problemfeldern aufzeigt. Eine überarbeitete und erweiterte Fassung ist die 2018 erschienene Darstellung „Hochschulreformen. Eine unendliche Geschichte seit den 1950er Jahren.“ Wie eine zukünftige Differenzierung der Hochschullandschaft aussehen könnte, ist bereits in dem 2013 (2. Aufl. 2016) erschienenen Buch „Von der Universität zur university“ entwickelt.

Anlässlich der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes würdigte der baden-württembergische Wissenschaftsminister Klaus v. Trotha ihn als "umsichtigen Bildungsexperten, der frühzeitig Konfliktpotentiale in der Wissenschaftspolitik erkannte und dessen Thesen Grundlage für wichtige Hochschulreformen waren". Weiter heißt es: "Turners großes Verdienst liegt in seinem unkonventionellen Denken und in seiner Innovations- und Durchsetzungsfähigkeit. Auch sein klarer Blick für die Einschätzung des politisch Machbaren haben ihm hohes Ansehen eingebracht".

Seit der Öffnung des Ostblocks unterstützt Turner die Zusammenarbeit u. a. mit Bildungseinrichtungen in den Baltischen Staaten und im Nördlichen Ostpreußen. Eine von ihm verfasste Broschüre zur Einführung in das deutsche Gesellschaftsrecht ist in die Sprachen der baltischen Länder und russisch erschienen. Dieses Engagement wird ferner durch eine größere Zahl von Artikeln aus seiner Feder belegt. Auch auf dem Gebiet von "Doping und Recht" ist er durch Beiträge hervorgetreten, als Resultat seiner Mitgliedschaft in der von DSB und NOK eingerichteten Unabhängigen Doping-Kommission.

Das Ergebnis seiner rechtswissenschaftlichen Arbeit sind 13 Bücher und Broschüren und mehr als 50 Aufsätze zu Berg-, Agrar- und Umweltrecht sowie zum Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht. Neben der Mitgliedschaft in Beirats- und Aufsichtsgremien der Wirtschaft und als Berater eines der großen Unternehmen der Medienbranche war Turner Vorsitzender der Lennart-Bernadotte-Stiftung (Insel Mainau). Neben dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ist er Träger der Staufermedaille in Gold, verliehen vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten.

Zu den „außerfachlichen“ Publikationen gehört die im Jahr 2008 erschienene (nicht nur) Familiengeschichte „Die Heimat nehmen wir mit“, Ein Beitrag zur Auswanderung der Salzburger Protestanten im Jahr 1732, ihrer Ansiedlung in Ostpreußen und der Vertreibung 1944/45 am Beispiel seiner eigenen Familie, inzwischen in fünfter Auflage (2017). Schließlich ist zu erwähnen sein Beitrag zur veränderten Bedeutung des Korporationsstudententums. Diese hat er an Hand der Geschichte der Göttinger Verhältnisse seit Mitte des vorigen Jahrhunderts dargestellt (Frisia Gottingensis 1956 – 2011). Die jüngste Veröffentlichung („ Was wollen die hier“) beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Einheimischen und Flüchtlingen in den Jahren 1945 – 49 in seiner sog. „zweiten Heimat“, Ebstorf, in der Lüneburger Heide.

George Turner lebt in Berlin. Weiterhin ist er Autor einer seit über zehn Jahren regelmäßig im Tagesspiegel erscheinenden Kolumne („Turners Thesen“) und Vortragender zu hochschulpolitischen Themen – entsprechend seinem Lebensmotto „Arbeit ist die würdigste Form, das Leben zu genießen“ (Kant).

George Turner ist seit 1963 verheiratet. Seine Frau Edda und er haben drei Söhne und fünf Enkelkinder.